Integrationspolitik für die Mehrheitsgesellschaft

Spätestens seit den Hartz-Reformen hat sich in weiten Teilen der (unteren) Mittelschicht eine verbreitete Angst vor sozialem Abstieg festgesetzt. In den konkreten Auswirkungen der Globalisierung sehen viele Menschen weniger Chancen als die Gefahr des Verlusts von Arbeitsplätzen, Sicherheit und Heimat. Hinzu kommt die Angst vor dem Identitätsverlust, ausgelöst durch die steigende Anzahl an fremden Menschen, die in unser Land kommen. Diese Sorgen sehen sie in einer politischen und medialen Debatte, die sich (real oder vermeintlich) vor allem auf die Bedürfnisse einer wachsenden Zahl von Minderheiten fokussiert, jedoch nicht hinreichend berücksichtigt – und wenn doch werden sie nicht ernst genommen, sondern als reaktionär und rückständig abqualifiziert.

Die Gesellschaft droht immer weiter auseinanderzudriften.

Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst. Wir wollen, dass sie sich anerkannt und zu Hause fühlen als Teil
einer funktionierenden Gemeinschaft. Wir wollen allen Menschen die Chance geben, sich einzubringen, teilzuhaben und mitzuwirken.

Dr. Joachim Stamp
in seinem Beitrag in der Auftaktpublikation zum Projekt

Die Zeche Zollverein ist eine ikonische Sehenswürdigkeit in Essen. Sie steht sinnhaftig für den Wandel, den das Ruhrgebiet durchlaufen hat. (© flickr.com)

Gerade im Ruhrgebiet, wo die Abstiegsängste im Zuge des Strukturwandels besonders groß sind und zugleich ein hoher Anteil von muslimischen Migranten die Furcht vor weiteren Veränderungen schürt, ist die Gefahr, dass ein relevanter Teil der Gesellschaft sich ausgeschlossen fühlt, besonders groß.

Das Projekt „Integrationspolitik für die Mehrheitsgesellschaft – Bildungs- und Beteiligungsmöglichkeiten für junge und alte Menschen im Ruhrgebiet“ untersucht die Gründe für die wachsende Unzufriedenheit und zunehmende Entfremdung breiter Gesellschaftsschichten von etablierten politischen und gesellschaftlichen Institutionen. Ziel ist es, dabei nicht nur das Verständnis für die Unzufriedenheit einer wachsenden Zahl von Menschen zu verbessern, sondern auch auf Grundlage einer fundierten Analyse der Situation im Ruhrgebiet greifbare Ansätze zur Re-Integration der ‚abgehängten‘ Bevölkerungsgruppen in das politische und gesellschaftliche Leben sowie konkrete Bildungsangebote – speziell für junge und alte Menschen – zu entwickeln und umzusetzen.

Da ist Integration das Gebot der Stunde. Sie ist vor allem Sache der Zivilgesellschaft. Sie geschieht im Alltag der Leute, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, in der Schule, in Gemeinde, im Verein und beim Schwatz an der Marktplatzecke.

Prof. Bodo Hombach,
Präsident der Bonner Akademie

Im Folgenden erhalten Sie weitere Informationen zu dem Projekt an sich, zu der konkreten Projektarbeit und zu den aktuellen Entwicklungen sowie Impressionen aus der Arbeit im Ruhrgebiet. Am Ende der Seite finden Sie zudem unsere Veranstaltungen sowie alle bereits erschienen Publikationen zum Herunterladen!

Ihr Projektteam

Häufig gestellte Fragen zum Projekt

Wer hat das Projekt in Auftrag gegeben?

Das Projekt wird im Auftrag der Essener Brost-Stiftung durchgeführt. Das Projekt steht unter der Schirmherrschaft von Dr. Joachim Stamp, stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW.

Wie lange läuft das Projekt?

Das Integrationsprojekt läuft seit Februar 2018 und ist auf eine Laufzeit von vier Jahren bis Februar 2022 ausgelegt.

Wer gehört zum Projektteam?

Das Projektteam umfasst drei Mitarbeiter der Bonner Akademie: Sandra Butz als Projektkoordinatorin sowie Lucas Scheel und Taner Ekici als Projektmitarbeiter. Weitere Informationen sowie Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Volker Kronenberg.

Was sind die Ziele des Projekts?

Ziel ist es, nicht nur ein Verständnis für die Unzufriedenheit einer wachsenden Anzahl von Menschen aufzubauen sondern vor allem praxisnahe Ansätze zur Re-Integration und Teilhabe der ‚abgehängten‘ Bevölkerungsgruppe zu entwickeln.

Wie ist das Projekt aufgebaut?

Das Projekt besteht aus mehreren Phasen, nach denen sich die Arbeit des Projektteams richtet. Zu Beginn des Projekts Zunächst soll sich durch eine Bestandsaufnahme ein Bild von der Situation vor Ort gemacht werden. Im zweiten Schritt werden Kooperationspartner vor Ort gesucht und eine Projektbegleitung über mehrere Monate angestrebt. Im dritten Schritt werden diese Erfahrungen und Kenntnisse dann zur Entwicklung innovativer Formate und Ansätze zur Re-Integration eingesetzt.

Wie sieht die konkrete Arbeit des Projektteams aus?

Die Arbeit des Projektteams ist sehr vielfältig. Einen Großteil der Arbeit findet größtenteils vor Ort statt in Form einer beobachtenden und nicht-teilnehmen Projektbegleitung. Flankiert wird diese von Begleitinterviews mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser Angebote sowie mit den (Praxis-)Experten. Zusätzlich werden thematisch daran angelegte Diskussionsveranstaltungen für die interessierte Öffentlichkeit angeboten und die Zwischenergebnisse in halbjährlichen Publikationen festgehalten.

Wer sind die Projektpartner vor Ort?

Die Partner vor Ort wurden durch eine ausführliche Recherche ermittelt und anhand der Projektkriterien ausgewählt. Wir suchen Projekte, Initiativen, Vereine und Organisationen im Ruhrgebiet, die aktive Reintegrationsarbeit leisten. Diese können sehr unterschiedlich ausfallen und kommen aus verschiedensten Bereichen wie der politischen Bildung, Quartierstreffs, lokalen Vereinen usw.

Warum ausgerechnet im Ruhrgebiet?

Das Ruhrgebiet ist in vieler Hinsicht einzigartig in Deutschland: geprägt durch eine heterogene Bevölkerung und durch den wirtschaftlichen Strukturwandel finden sozio-politische Prozesse dort wie unter einem Brennglas statt. Deshalb liegt es nahe, den Desintegrationstendenzen zunächst hier auf den Grund zu gehen. Die vier Schwerpunktstädte des Projekts lauten Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Dortmund.

Was hat es mit dem Begriff „Mehrheitsgesellschaft“ auf sich?

Der Begriff Mehrheitsgesellschaft an sich ist durchaus umstritten und mitunter missverständlich. Für uns ist es wichtig, nicht zwischen einer Mehrheit und einer Minderheit, die sich gegenüber stehen, zu trennen, sondern einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu entwickeln, der allen Bewohnern des Ruhrgebiets gerecht wird.

Was verstehen wir unter „Integration“?

Integration wird meist mit Migranten, die in eine Gesellschaft integriert werden sollen, gleichgesetzt. Allerdings bezieht sich unser Integrationsbegriff eher auf die gesellschaftliche und politische Teilhabe aller Menschen – mit oder ohne Migrationshintergrund. Die These lautet, dass Integration, sprich die gesellschaftliche Teilhabe, auf verschiedenste Art und Weise erreicht werden kann. Manchmal sind es schon kleine Gesten oder niedrigschwelligste Möglichkeiten des Engagements und Zusammenkommens, die den Menschen ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln.

Projektpublikationen

Veranstaltungen im Projekt

Bericht zur 2. Morgerunde „Politische Bildung und die Ökonomie – ein belastetes Verhältnis?“ am 02.03.2021

Am 2. März fand die zweite BAPP-Morgenrunde als Fortsetzung der erfolgreichen ersten Iteration statt. Auch diesmal ging es wieder darum, Expertinnen und Experten zu vernetzen und außerdem einen Blick auf die konkrete Praxis vor Ort zu ermöglichen. Thematisch knüpfte sie an die erste Morgenrunde zur politischen Bildung an, ging diesmal aber stäker ins Detail über ökonomische Zwänge in der politischen Bildung.

Bericht zur Morgerunde „Politische Bildung“ am 03.12.2020

Am 3. Dezember fand die erste BAPP-Morgenrunde statt. Die Morgenrunde als neues Format zielt darauf ab, einen im kleinen Kreis einen Austausch zwischen Expertinnen und Experten zu ermöglichen. Damit ergänzen sie die Lokalforen Ruhrgebiet, indem sie einen klareren Blick auf die konkrete Praxis vor Ort ermöglichen. Die erste Morgenrunde fand zum Thema politische Bildung statt; aufgrund der aktuellen Corona-Situation digital über Zoom.