Fotos: Volker Lannert
Zur ersten Diskussionsveranstaltung im Jahr 2018 durfte die Bonner Akademie am 11. Januar Sigmar Gabriel, geschäftsführender Bundesminister des Auswärtigen, im Universitätsforum begrüßen. Er diskutierte zusammen mit dem Altoberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Christian Ude, und Dr. Peter Gauweiler, Bayerischer Staatsminister a.D. sowie CSU-Bundestagsmitglied a.D., u.a. die Frage, wie die etablierten Parteien verloren gegangenes Wählervertrauen zurückgewinnen können. Moderiert wurde die Veranstaltung von Christoph Schwennicke, Chefredakteur des Magazins CICERO.
In seiner Begrüßung und Einführung erklärte der Präsident der Bonner Akademie, Prof. Bodo Hombach, momentan sei es eine der wichtigsten Aufgaben der Politiker, Verhältnisse zu schaffen, die das Vertrauen auf die Machbarkeit politischer Versprechen reanimieren würden. Insbesondere die Volksparteien müssten in diesem Zusammenhang aufpassen, dass ihnen „das Volk nicht noch mehr abhandenkommt“. Gegen populistischen Eifer helfe dabei nicht Empörung; stattdessen brauche es Leidenschaft für den eigenen Standpunkt, so Prof. Hombach.
Bundesminister Sigmar Gabriel kennzeichnete in seiner nachfolgenden Rede das ehrenamtliche Engagement – wie z.B. in Parteien, Vereinen oder bei der freiwilligen Feuerwehr – als eines der Fundamente der Gesellschaft. In diesem Zusammenspiel müssen Parteien Verantwortung für die gesamte Gesellschaft übernehmen und sich nicht auf Einzelinteressen konzentrieren. Die Zahl der populistischen Bewegungen habe aus Gabriels Sicht global betrachtet während der letzten Jahre kontinuierlich zugenommen. Viele Bürger wünschten sich zurück in eine scheinbare Klarheit, in eine Zeit vor der Globalisierung, ohne Migration und Flucht, ohne entkoppelte Märkte usw. Der Populismus sei daher auch eine Sehnsucht nach einer bereits vergangenen Zeit. Die Volksparteien dürften sich dabei jedoch nicht den aus diesen Strömungen verlautbarten Ressentiments zu Eigen machen, nur um möglicherweise Wählerstimmen zu gewinnen. Aber sie müssten den Bürgern zuhören und deren Sorgen und Ängste ernst nehmen. Denn je weniger Antworten die Volksparteien auf die neuen Herausforderungen liefern, desto mehr werden sie durch die populistischen Bewegungen eingeholt, so der abschließende Ausblick des Ministers.
Den Auftakt in der Diskussionsrunde machte Christian Ude, der den tieferen Ursprung für das aktuelle gesellschaftliche Klima nicht primär in der Flüchtlingskrise, sondern vielmehr in der Politik der letzten 20-25 Jahre sieht – und insbesondere in der generellen Doktrin der freien Märkte. In eine ähnliche Richtung argumentierte Dr. Peter Gauweiler, indem er konstatierte, dass man in dieser Zeit sowohl den Begriff des „Bürgerlichen“ vergessen als auch gleichzeitig das Ziel gesamtgesellschaftlicher Fragestellungen aus den Augen verloren habe. So laute die Diskussion statt wie einst „Freiheit oder Sozialismus“ heutzutage eher „Freiheit oder Goldman Sachs“. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise kritisierte er, dass der Bundestag komplett von der eigentlichen Debatte abgeschnitten wurde und das Parlament somit auch nicht über geeignete Maßnahmen beraten sowie abstimmen konnte – aus Gauweilers Sicht ein Skandal. Altoberbürgermeister Ude ging an dieser Stelle noch einen Schritt weiter und warnte vor einer „Selbstabschaffung des Parlamentarismus“. Dem widersprach Außenminister Gabriel und führte als Beispiel für eine lebendige Parlamentskultur die Debatten um die Bundeswehreinsätze an, bei denen leidenschaftlich und kontrovers diskutiert wurde. Die Öffentlichkeit nehme die Debatten im Plenum und die sich daraus ergebenden Arbeitsergebnisse jedoch viel zu selten zur Erkenntnis, was sich laut Gabriel im Sinne eines Mittels gegen die Politikverdrossenheit ändern müsse.