Am 5. Oktober fand im Bonner Universitätsforum eine Veranstaltung zu dem Thema „Alternative Öffentlichkeiten als Gefahr für unsere Demokratie“ statt. Die Podiumsdiskussion wurde von der Brost-Stiftung in Kooperation mit der Bonner Akademie ausgerichtet. Mit Lukas Eberle, NRW Korrespondent und Redakteur im Deutschland Ressort des SPIEGEL, Tanit Koch, Geschäftsführerin n-tv, und Dr. Helge Matthiesen, Chefredakteur Bonner General-Anzeiger, nahmen drei Experten aus der Medienbranche an der Diskussionsrunde teil. Eine politische Perspektive ergänzte der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz, Alexander Schweitzer. Die Veranstaltung wurde von Michael Krons moderiert, dem leitenden Redakteur der Programm-geschäftsführung phoenix.
Bilder BAPP / Günther Ortmann
In seiner Begrüßung betonte Prof. Dr. Dieter Engels, dass die Thematik der Veranstaltung gleichzeitig brandaktuell und zeitlos sei – sie betreffe nicht weniger als die Spielregeln der Demokratie. Heutzutage finde Kommunikation und Informationssuche zu großen Teilen im Netz statt, eine Entwicklung, die „Fluch und Segen zugleich“ sei. Denn einerseits bieten sich dadurch für jedes Individuum die Möglichkeiten schnellerer Informationsbeschaffung und größerer Reichweite, andererseits werden die Weichen gestellt für Fake News, Shitstorms und die titelgebenden „Alternativen Öffentlichkeiten“, die in der eigenen Filterblase gefangen sind. Die Frage, wie sich diese Entwicklungen für den demokratischen Diskurs auswirken, bildete den Übergang in die Diskussionsrunde.
Auf dem Podium herrschte Einigkeit darüber, dass man trotz kritischer Tendenzen nicht dem Kulturpessimismus verfallen solle. So war Dr. Helge Matthiesen der Auffassung, dass Filterblasen kein neues Phänomen darstellen: Auch früher hätten etwa bestimmte Zeitungen bestimmte politische Milieus an sich gebunden. Dennoch werde dieses Phänomen durch das beschleunigte digitale Zeitalter verstärkt. Die Frage des Moderators, ob der Wert der radaktionellen Nachricht durch die Informationsflut im Netz an Wert verliere, verneinte Tanit Koch. Sie skizzierte den Unterschied zwischen Journalismus und Social Media: „Algorithmen zeigen, was man wissen möchte. Journalismus hingegen, was man wissen muss.“ Darin liege der Wert der redaktionellen Nachricht. Auch Lukas Eberle sah von Schwarzmalerei ab und verwies darauf, dass gerade vor dem Hintergrund der größeren Menge und Beschleunigung an Informationen hintergründige und investigative Recherchen von den Rezipierenden gefragt sei. Viel größer sei die ökonomische Frage, so auch Dr. Matthiesen. Durch die veränderte gesellschaftliche Mediennutzung, die sich in einem Rückgang der Abonnements und einer Zunahme des Nachrichtenkonsums online manifestiert, sei eine Grundsäule der Finanzierung für viele Zeitungen verloren gegangen. Bezahlschranken für bestimmte Artikel im Onlineangebot sei eine Möglichkeit, Verluste zu kompensieren.
Auf das Stichwort parteiinterner „Newsrooms“ äußerte Alexander Schweitzer Kritik. Der Wert klassischer Medien liege unter anderem in der Gegenüberstellung und Abgleichung verschiedener Meinungen und Auffassungen. Dies finde in den „Newsrooms“ nicht statt, weswegen diese keine wünschenswerte Medienrealität darstellen. Die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen war auch im weiteren Verlauf der Diskussionsrunde Thema. Dass immer häufiger die Meinungen politisch Andersdenkender nicht zugelassen werden, betrachtete Tanit Koch mit Sorge. Debatten würden somit immer häufiger blockiert oder etwa in einem verrohten Ton ausgetragen. Auch Alexander Schweitzer betonte die Relevanz des zivilisierten Meinungsstreits: „Auseinandertretende Meinungen sind keine Gefahr für die Demokratie, sondern die Grundlage der Demokratie.“ Gegen Hetze und populistische Meinungsmache sowie die Verbreitung von Fake News müsse man sich dennoch klar positionieren. Die Gegner der Demokratie müsse man „mit Fakten verunsichern“, so auch Dr. Matthiesen. Dies sei seit jeher die beste Taktik.