Das Thema des Abends war eigentlich weit gefasst, die Experten sollten unter dem Stichwort „Regulierung bis zur Strangulierung“ Grenzen und Möglichkeiten staatlicher Ordnungspolitik ausloten. Die Debatte zwischen Prof. Dr. Andreas Pinkwart (NRW-Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie), Telekom-Chef Timotheus Höttges sowie Prof. Dr. Michael Hüther (Direktor Institut der deutschen Wirtschaft Köln) kreiste jedoch sehr schnell um die Frage: „Wer ist schuld an Funklöchern und dem langsamen Internet in Deutschland?“
Bilder: BAPP / Günther Ortmann
Text: Wilfried Pastor
Für Timotheus Höttges ganz klar die Politik, repräsentiert durch die Bundesnetzagentur. „Mich stört vor allem diese halbschwangere Position der Bundesnetzagentur“, beschwerte er sich in der von Julia Grimm (phoenix) moderierten Diskussion bei der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP). „Man fordert einen wirtschaftlichen Wettbewerb beim Ausbau, will aber selber mit Investition nichts am Hut haben und trotzdem am Ende noch die Zügel in der Hand halten.“
Zur fehlenden Kompetenz bei Verwaltung und Behörden käme als weiteres Hemmnis für technischen Fortschritt das föderale System in Deutschland, in dem selbst die kleinste Kommune am Ende noch eine Umsetzung blockieren könne. Und schließlich habe sich in der Bevölkerung die „Phantasie“ entwickelt, „der Staat löst alle Probleme“.
Höttges: „In der Realität sieht das dann so aus: Korea hat im letzten Jahr etwa 80000 neue Mobilfunkmasten aufgestellt, in Deutschland sind es gerade mal 1800!“
Diese Defizite räumte Prof. Dr. Andreas Pinkwart durchaus ein: „Der Mobilfunkausbau muss pragmatischer umgesetzt werden. Das Geld dafür ist da, wir scheitern aber häufig an fehlenden Baggerfahrern oder endlosen Genehmigungsverfahren.“ Während manche Kommunen in sechs Wochen die Verlegung von Glasfaserkabel genehmigten, brauchten andere dafür bis zu zwei Jahren. Und immer häufiger blockierten die Bürger den technische Fortschritt. Pinkwart: „Schnelleres Internet zu verlangen und sich dann aber dem Bau eines neuen Funkmastes hinter dem eigenen Haus zu widersetzen, ist äußert widersprüchlich.“
Dann folgte ein Satz mit hohem sozialen Streitpotenzial: „Meine Kollegin aus Baden-Württemberg berichtet, je höher der Bildungsgrad, desto heftiger ist der Widerstand gegen die Umsetzung des 5G-Standards.“ Blockieren Bildungsbürger Deutschlands Zukunft?
Für Prof. Dr. Michael Hüther liegen die Ursachen eher im Bereich der Ordnungspolitik. „Deutschland ist in ein System der schwarzen Null einbetoniert. Ziemlich widersinnig in Zeiten, in denen die Zinsen unter dem Zuwachs des Bruttosozialproduktes liegen. Es scheint einfach nicht in Köpfe zu gehen, dass der Mobilfunkausbau Teil staatlicher Daseinsfürsorge ist. Und deshalb sollte die nötige Infrastruktur auch vom Staat finanziert werden.“
Erschreckend einig waren sich die Fachleute in der Beschreibung von Deutschlands defizitärer Infrastruktur sowie der Herausforderungen im globalen Wettbewerb. Es fehlt an politischem Lenkungswillen, Kompetenz und Personal in den Verwaltungen sowie Akzeptanz in der Bevölkerung.
Hüther: „Allein in NRW ist die Zahl der Prüfingenieure in den Behörden um 20 Prozent zurück gegangen. Das erklärt manchen Irrsinn bei Ausbaumaßnahmen.“
Pinkwart: „Neben den Mobilfunkmasten fehlen in Deutschland 11000 Kilometer Übertragungsnetze. Bei vielen Bürgern ist das Sättigungsniveau offenbar so hoch, dass sie sich in der privaten Komfortzone eingerichtet haben. Und auf keinen Fall einen Funkmast, ein Windrad oder eine Stromleitung in der Nähe ihres Grundstückes wollen.“
Höttges: „Es gibt gesetzliche Regelungen, zur Netzabdeckung Mobilfunkantennen auf öffentlichen Gebäuden sowie Kasernen aufzustellen. In der Realität wird der Bau ständig blockiert. An Autobahnen und Bahnstrecken verkaufen uns die Bauern keine Grundstücke zum Bau von Masten, vielleicht auch aus Angst vor Strahlung. Dabei gehen nachweislich 90 Prozent der Strahlung vom Handy selbst aus.“
Eine Debatte voller Anstöße und hohem Unterhaltungswert, wie der anhaltende Beifall des Publikums im Bonner Universitätsforum belegt.