Online-Veranstaltung: „Dauer-Ausnahmezustand!? – Gesellschaftliche Folgen der Corona-Krise“

Hier finden Sie den Bericht und das Video der Online-Diskussion mit Prof. Dr. Markus Gabriel, Philosoph und Autor und Prof. Dr. Christiane Woopen, Medizinethikerin und Vorsitzende des Europäischen Ethikrates.

Hier können Sie sich die Online-Diskussion in voller Länge anschauen.

Am 25. Februar 2021 diskutierten Prof. Dr. Markus Gabriel und Prof. Dr. Christiane Woopen zum Thema „Dauer-Ausnahmezustand!? – Gesellschaftliche Folgen der Corona-Krise“. Durch den Abend führte Michael Hirz, Journalist und ehemaliger Programmgeschäftsführer von phoenix.

Nach der Begrüßung durch Prof. Bodo Hombach, Präsident der Bonner Akademie, konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer in einer Umfrage einen ersten Stimmungstest abgeben. Auf die Frage, ob sich unsere Gesellschaft durch die Krise nachhaltig verändern werde, stimmten 78 Prozent der Teilnehmenden mit „Ja“ und 22 Prozent mit „Nein“. Moderator Michael Hirz nutzte dies direkt als Überleitung und fragte auch die beiden geladenen Diskutanten nach ihrer Einschätzung der gesellschaftlichen Folgen.

Prof. Dr. Markus Gabriel betonte, dass vor allem der Umgang mit dem Virus die Gesellschaft verändere und nicht das Virus selbst. Prof. Dr. Christiane Woopen ergänzte im Anschluss einige konkrete Auswirkungen wie die Verschärfung der sozialen Ungleichheit. Die Menschen, die sozio-ökonomisch benachteiligt seien, würden durch die Krise noch mal stärker belastet. In ihrer Funktion als Vorsitzende des Europäischen Ethikrats ermöglichte sie dem interessierten Publikum einen Einblick in die konkrete Arbeit des Ethikrats und skizzierte u.a. drei Stellungnahmen zum Umgang mit Pandemien und Krisen. Dabei betonte sie, wie wichtig es sei, im Umgang mit der Pandemie alle wissenschaftlichen Disziplinen und vielfältige Methoden miteinzubeziehen, da die Pandemie die Lebenswirklichkeit aller Menschen beträfe. Auch Prof. Dr. Gabriel hielt eine multiperspektivische Beschäftigung mit der Pandemie für absolut grundlegend. Die Virologie allein sei zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Wissensgrundlage dafür, wie die Gesellschaft mit der Pandemie umgehen müsse und aus der Situation gestärkt herauskommen könne.

Im Anschluss thematisierten die beiden Diskutanten das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit in der aktuellen Situation, das laut Prof. Dr. Gabriel völlig aus den Fugen geraten sei. Es bestehe eine Schieflage, die er ethisch als nicht mehr gerechtfertigt sehe. Dabei gäbe es durchaus die Möglichkeit, Freiheit und Gesundheit in ein besseres Verhältnis zu setzen, als es derzeit der Fall sei. Frau Prof. Dr. Woopen führte verschiedene technologische Lösungen an, die für mehr Freiheiten in einer kontrollierten Pandemie sorgen und den Umgang sowie das Leben mit der Pandemie deutlich verbessern könnten, wie beispielsweise Schnell- bzw. Selbsttests und Abstandsmesser. In diesem Kontext wurde auch die aktuelle Impfsituation angesprochen. Hier sprach Frau Prof. Dr. Woopen von einer Problematik des nationalen Denkens, besonders was die Verteilung des Impfstoffes angehe. Der Impfstoff wäre besser als Gemeingut behandelt worden.

Angeregt durch den Moderator Michael Hirz wurde auch über die Rolle der Medien und deren Einfluss auf den gesellschaftlichen Umgang mit der Pandemie diskutiert. Hier betonte Frau Prof. Dr. Woopen, dass die Medien zu Beginn der Krise ihrer Meinung nach eine sehr gute Rolle gespielt hätten. Mittlerweile werde jedoch ein zu großer Fokus auf Schuldzuweisungen gelegt und zu viel negative Energie verbreitet. Hier brauche es jetzt eine Aufbruchsstimmung, um eine neue Dynamik reinzubekommen. Prof. Dr. Gabriel schloss sich seiner Vorrednerin an: Die Gesellschaft und jeder Einzelne müsse aus der Starre herauskommen, die Spitzenpolitik könne dies nicht allein übernehmen.

Auf die Frage nach einem Blick in die Glaskugel antwortete Prof. Dr. Gabriel, dass „eine Welt untergegangen“ sei. Aber es gebe moralische Fortschritte in der Debattenlage. Freiheit heiße, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten; gebraucht werde eine Langzeitstrategie – auf Sicht fahren funktioniere nicht. Frau Prof. Dr. Woopen betonte dabei, dass es keine Öffnung ohne Schutz geben solle. Aber überall dort, wo es technische Schutzmaßnahmen gäbe, sollte begleitend und evaluierend geöffnet werden.

Als zum Abschluss der Diskussion erneut das Publikum befragt wurde, ob es mehr Chancen oder mehr Risiken für die Zukunft nach der Krise sehe, antwortete die Mehrheit optimistisch. 81 Prozent sagten „mehr Chancen“, 19 Prozent „mehr Risiken“. Moderator Michael Hirz führte dies unter anderem auf die vielseitige und aufschlussreiche Diskussion zurück, in der Probleme offen angesprochen und ebenfalls Lösungen diskutiert worden waren.

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