Podiumsdiskussion „Russlands neues Selbstbewusstsein: Zum Umgang mit einem schwierigen Partner“

Am 16. November 2018 diskutierten u.a. Ronald Pofalla und Alexander Graf Lambsdorff über den Umgang mit Russland als wichtigen aber schwierigen Partner.

von Redaktion / in Podiumsdiskussionen /
Prof. Bodo Hombach, Präsident der BAPP.
Ronald Pofalla, Vorsitzender des Petersburger Dialogs, Bundesminister a.D. und Vorstandsmitglied DEUTSCHE BAHN AG.
Alexander Graf Lambsdorff, MdB und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion.
Katja Gloger, Journalistin, Autorin und Russland-Expertin.
Frank Elbe, Botschafter i.R.
Alexander Rahr, Unternehmens- und Politikberater sowie Autor. 
Der Blick auf die erste Reihe: Prof. Bodo Hombach, Katja Gloger, Ronald Pofalla, Alexander Graf Lambsdorff.
Das brisante Thema sorgte für großen Andrang zur Veranstaltung.

Fotos: Volker Lannert

Zum Thema „Russlands neues Selbstbewusstsein – Zum Umgang mit einem schwierigen Partner“ diskutierten Ronald Pofalla, Vorsitzender des Petersburger Dialogs, Bundesminister a.D. und Vorstandsmitglied DEUTSCHE BAHN AG., Alexander Graf Lambsdorff, MdB und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, Frank Elbe, Botschafter i.R., Katja Gloger, Journalistin, Autorin und Russland-Expertin, und Prof. Alexander Rahr, Politikberater und Autor, am 16. November auf dem Podium der Bonner Akademie. WDR-Journalistin Anja Bröker übernahm die Moderation des Abends. 

Auf die besondere Rolle der Diplomatie, gerade im Umgang mit dem russischen Partner, verwies Prof. Bodo Hombach, Präsident der Bonner Akademie, in seinen einführenden Worten. Einigen Politikern sei heute das innenpolitische Kalkül wichtiger als das diplomatische Geschick und die Suche nach Gemeinsamkeiten im Sinne des Ausgleichs. Nicht zuletzt wegen historischer Kränkungen im Zuge der vermeintlichen Annäherung von Ost und West nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, sei Russland nun mit neuem Selbstbewusstsein zurückgekehrt – und setze vermehrt auf militärische Lösungen. Gerade die Diplomaten dürften in diesem Zusammenhang jedoch nicht vergessen, dass Russland ein lebendiger Teil der Weltgesellschaft sei, auf dessen Ideen und Anregungen wir nicht verzichten dürften.

Ronald Pofalla skizzierte zu Beginn die politische Situation in Russland, die vor allem zur Repression politisch Andersdenkender sowie der zunehmenden Unterdrückung von zivilgesellschaftlichen Engagement führe. Doch auch Russlands außenpolitische Projekte seien zum Teil schwierig: Gerade Nordstream II biete die Möglichkeit, die Ukraine auf dem Weg nach Westen zu umgehen. Hier werde wiederum ein Zweispalt im Umgang deutlich, da das wirtschaftliche Projekt unterstützenswert sein, gleichzeitig sei aber der politische Nebeneffekt nicht akzeptabel. Gerade zu der Situation der Ukraine dürften wir aus politischen Gründen nicht schweigen, unterstrich Pofalla. 

Den Facettenreichtum des Begriffs ,Selbstbewusstsein‘ charakterisierte Alexander Graf Lambsdorff zu Beginn der Veranstaltung: Das neue internationale Auftreten Russlands gefalle uns nicht, dennoch ließen wir es zu – gerade mit Blick auf die zahlreichen territorialen Konflikte in Russlands Einflusssphäre. In vielen Fällen hätten die Russen sehr geschickt agiert, etwa in Syrien. Dort hätten die USA deutlich zu wenig getan, die Russen hätten die entstandene Lücke klug genutzt. Insgesamt, so war sich Lambsdorff sicher, sei Russland jedoch immer noch nicht international konkurrenzfähig, gerade weil es weiterhin vornehmlich von Öl und Gas lebe.

Das russische Selbstbild charakterisierte Katja Gloger. Dieses orientiere sich nicht – wie häufig angenommen – am zweiten Weltkrieg insgesamt, sondern deutlich stärker am gewonnenen Großen Vaterländischen Krieg gegen Hitlerdeutschland. Mit Blick auf das jeweilige Selbstbewusstsein und Selbstbild seien sich die USA und Russland damit sogar sehr ähnlich. Gerade jetzt sehe sich die russische Führung am Beginn einer neuen „Post-West-Epoche“ angekommen, in der Russland sich als Großmacht etablieren wolle. Insgesamt, so hielt Gloger fest, habe der Westen in seiner dominanten Form ausgedient, die neue Welt werde zunehmend multipolarer, Russland habe sich in dieser Welt in den letzten Jahren als Gegenpol etabliert, der ernst genommen werden müsse.

Frank Elbe kritisierte die Energie, die Deutschland dafür aufwende, die Menschenrechtsverletzungen durch den russischen Staat zu kritisieren. Wir riskierten unser Verhältnis zu Russland, wenn wir nur auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen würden; die Gefahr, dass wir in Verhältnisse ähnlich wie vor 1990 zurückfielen sei groß, dies müsse jedoch unbedingt verhindert werden. Ein Fokus sollte demnach zukünftig auf dem Austausch und Aufbau persönlicher Beziehungen liegen, die für eine ,Zukunft der Verständigung‘ essentiell seien.

Ursprünglich habe Putin Russland nach Europa führen wollen, sagte Prof. Alexander Rahr. Nun sei jedoch ein Weg der Konfrontation gewählt worden, vor allem weil sich Europa nur mit der deutschen, anstatt auch mit der russischen Frage beschäftigt habe. Der Weg hätte, vor allem mit Blick auf die ehemaligen GUS-Staaten, abgestimmt werden müssen, um Konflikte zu vermeiden. Russland wolle sich nicht als Verlierer des Kalten Krieges sehen, weder die alte, noch die junge Generation. Dies bestimme auch das Handeln Russlands heute, so Rahr.

Wie brisant die Diskussion um Russland und den Umgang mit der neuen Stärke ist, zeigte nicht zuletzt auch die Diskussion auf dem Podium der Bonner Akademie. Gerade bei der Frage, wie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kooperation und Sanktion aussehen könne, gingen die Meinung der Diskutanten auseinander. Einigkeit bestand jedoch vor allem dabei, dass Russland ein essentieller Teil unserer Weltgemeinschaft sei, der nicht ausgegrenzt dürfe, sondern einbezogen werden müsse. 

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