Am 24. August 2021 diskutierten Prof. Dr. h.c. mult. Roland Koch, Ministerpräsident a.D. und Professor an der Frankfurt School of Finance & Management, Lisa Nienhaus, Wirtschaftskorrespondentin und Leiterin des Frankfurter Büros der ZEIT und Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Julian Nida-Rümelin, Philosoph und Staatsminister a.D. zum Thema „Jedes Ende ist ein neuer Anfang? Die Wirtschaft nach Corona“. Durch den Abend führte Julia Grimm, stellv. Redaktionsleiterin Ereignisse phoenix.
Mit Freude begrüßte Prof. Bodo Hombach, Präsident der Bonner Akademie, die anwesenden Gäste zur ersten analogen Veranstaltung in der Bonner Akademie seit der Phase der digitalen Präsentationen und führte in das Thema des Abends ein: „Geht etwas zu Ende, wartet ein Anfang – Wirtschaft wird nach Corona besonders viel schultern müssen“. Es gehe darum, über die Long-Covid-Folgen für Staat und Gesellschaft nachzudenken.
In seiner Impulsrede ging Prof. Dr. Roland Koch im Anschluss besonders auf die Erfahrungsveränderungen der letzten Monate ein: Wir hätten flächendeckend unsere Verletzlichkeit erfahren, wir hätten erfahren, dass wir nicht in der Lage waren, vorhandene Potenziale auszuschöpfen „und wir haben Globalisierung neu erlebt, als Phänomenen von Abhängigkeit, Lieferketten, aber auch als Phänomene von Beschränkungen“. Der Ministerpräsident a.D. prognostizierte, dass es Deutschland ökonomisch in nächster Zeit „nicht wahnsinnig schlecht gehen“ werde. Die Diskussion um Corona unterscheide sich in ganz vielen Punkt nicht von den Diskussionen vor Corona: „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht darauf ausruhen, dass wir eine Krise hatten und deshalb so vieles erklärbar ist, was schwieriger geworden ist“.
In der anschließenden Diskussion bewertete Prof. Koch auf die Einstiegsfrage von Moderatorin Julia Grimm das Krisenmanagement der Bundesregierung insgesamt als gut. Ein Kritikpunkt sei jedoch, dass der Umstieg auf eine relative Form von Normalität hätte schneller kommen können. Lisa Nienhaus bewertete die Stimmung in der Gesellschaft anders: Die Menschen seien Anfang des Jahres sehr unzufrieden mit dem Krisenmanagement der Regierung gewesen, beispielsweise mit dem Impfmanagement. Zu Beginn der Pandemie seien die Bundesregierung und ganz Europa zu risikobereit gewesen, so Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, anschließend wurde zu lange pauschal reagiert. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip der Verfassung müsse ernst genommen und ein Ende der pauschalen Maßnahmen herbeigeführt werden. Der Philosoph zeigte kein Verständnis dafür, dass die Zeit nach der ersten Welle nicht genutzt wurde, beispielweise für die genaue Betrachtung der Statistik und die Digitalisierung der Gesundheitsämter. „Wir betreiben Datenschutz, statt den Schutz der informellen Selbstbestimmungsrechte.“
Julia Grimm fragte die Diskussionsrunde danach, was während Corona gelernt wurde und für die zukünftige Wirtschaft mitgenommen werden könne. Einig waren sich die Gäste in der Wichtigkeit der Auswirkungen des Homeoffices und der Digitalisierung viele verschiedener Bereiche. Der Digitalisierungsschub sei laut Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, der live zugeschaltet war, jedoch eher ein kultureller Akzeptanzschub und wurde bisher nicht für einen Produktionsschub genutzt. Lisa Niehaus sah den größten Nachholbedarf in der Digitalisierung der Verwaltung. Zudem dürften die Effekte der Digitalisierung auf die Ungleichheiten im Land nicht unterschätzt werden, hier müsse gut geschaut werden, wie mit den Folgen umgegangen werden kann und muss.
Bilder: BAPP/ Günther Ortmann