Der österreichische Autor und Träger des Deutschen Buchpreises 2017 Robert Menasse und Elmar Brok, MdEP, der ehemaligen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Europaparlaments diskutierten am 2. April 2019 in der Bonner Akademie zum Thema „Zwischen Utopie und Wirklichkeit – Wie weiter mit Europa?“ auf dem Podium. Die Moderation übernahm Michaela Kolster, Journalistin, Moderatorin und Programmgeschäftsführerin von PHOENIX.
Fotos: Volker Lannert
Den Abend eröffnete Prof. Bodo Hombach, der Präsident der Bonner Akademie, mit viel Hoffnung für die Zukunft, mahnte aber auch wiederholt, man müsse den Ernst der derzeitigen politischen Lage wahrnehmen.
Bevor die Diskussionsrunde eröffnet wurde, las Robert Menasse ein Exzerpt aus seinem Buch „Die Hauptstadt“ vor, einem satirischen Roman über das Zentrum der EU in Brüssel, für das er 2017 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde. Er bestand jedoch mit einem Augenzwinkern darauf, dass er kein österreichischer Schriftsteller sei, sondern ein Wiener – aus diesem Grund falle ihm persönlich die europäische Integration auch so leicht, da ihm seine Nationalität nicht klar sei.
Nach der Lesung, die durch das Publikum mit Applaus und Gelächter begleitet wurde, eröffnete Michaela Kolster die Debatte, indem sie beide Diskutanten zu ihrer Einschätzung der anhaltenden BREXIT-Verhandlungen bat. Elmar Brok bezeichnete diese als ein herausragendes Beispiel für Politikversagen und betonte, dass die Verhandlungen auf britischer Ebene einer Farce ähnelten, die die Parteien zu einer Abrechnung miteinander ausnutzten. Nicht Brüssel müsse mit London reden, betonte er, sondern London mit London.
Hierbei stimmte ihm Robert Menasse zu und ergänzte, David Cameron habe bei der Einleitung des Referendums mit dem Feuer gespielt und einen Großbrand ausgelöst. Dennoch sei der BREXIT absehbar gewesen, denn das Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Union sei schon immer ein gespaltenes. Schon Winston Churchill habe seine Pläne zu einer europäischen Friedensordnung in erster Linie auf das kontinentale Europa bezogen – und das britische Sonderverhältnis zur EU spiegele das bis heute wieder.
Positiver waren beide Diskutanten trotz der vorhandenen Krisen innerhalb der Europäischen Union in ihren Einschätzungen zu deren Zukunftsperspektiven gestimmt. Besonders wichtig, so Elmar Brok, sei die Rolle der EU als Friedensgarant heutzutage, da es, zum ersten Mal seit ihrem Bestehen, wieder zu kriegerischen Handlungen in europäischen Ländern und angrenzenden Staaten käme und auch die politische Rhetorik teils sehr feindselig würde. Dem fügte Robert Menasse hinzu, dass die EU es schaffen müsse, neben der klassischen Rolle als Friedensstifter auch für sozialen Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen. Hierzu sei transnationales Denken von größerer Bedeutung als nationale Lösungsansätze, die heutzutage nicht mehr ausreichend seien.
Die – bewusst provokant gestellte – Gegenfrage von Michaela Kolster, ob die EU in Zukunft die Nationalstaaten ablösen sollte, verneinten beide Diskutanten. Sie waren sich jedoch einig, dass in der Wahrnehmung der durch das gleichnamige EU-Austauschprojekt geprägten jungen Menschen der „Generation Erasmus“ die europäische Identität oftmals tiefer verankert sei als die nationale. Dies sei wichtig, da die politischen Probleme, mit denen wir heutzutage konfrontiert seien, nur noch durch Kooperation zu bewältigen seien. Die nationale Politik solle nicht ersetzt werden, sondern müsse vielmehr ihren Bürgern die EU und deren Politik näherbringen. In diesem Sinne appellierte Elmar Brok abschließend an die Politik: „Redet hin und wieder auch einmal gut über Europa – sonst läuft es euch davon!“