Diskussionsveranstaltung „Politische Modelle zur Lösung der Kurdenfrage“

Am 28. Mai 2018 fand die zweite Ringvorlesung „Nation – Sezession – Integration“ zum Thema „Politische Modelle zur Lösung der Kurdenfrage statt.

von Redaktion / in Podiumsdiskussionen /

Die Vorlesungsreihe richtet sich primär an Studentinnen und Studenten der Universität Bonn
Basak Özay, Journalistin bei der Deutschen Welle
Dr. Awat Asadi, Navend – Zentrum für kurdische Studien
PD Dr. habil. Gülistan Gürbey, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der FU Berlin
Die Ringvorlesung wird zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Fachschaft Politik & Soziologie der Universität Bonn ausgerichtet

Am 28. Mai 2018 fand die zweite Veranstaltung der Ringvorlesung „Nation – Sezession – Integration“ zum Thema „Politische Modelle zur Lösung der Kurdenfrage“ in Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Fachschaft Politik & Soziologie der Universität Bonn statt. Fragen zur Nation, deren Zukunft sowie unterschiedliche Nationalverständnisse und -konzepte stehen im Mittelpunkt der Reihe.

Im Fokus der zweiten Veranstaltung standen die Kurden, deren politische Situation und Streben nach einem eigenen Nationalstaat. Diskutiert wurde im Fish-Bowl-Format nach kurzen einführenden Vorträgen mit Basak Özay, Journalistin bei der Deutschen Welle, PD Dr. habil. Gülistan Gürbey, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft an der FU Berlin, und Dr. Awat Asadi, Navend – Zentrum für kurdische Studien.
 
Zu Beginn legte Basak Özay ihren Fokus auf die historisch-kulturelle Entwicklung des Kurdenkonflikts. Dabei stellte sie heraus, dass die Kurden eines der ältesten Völker im Nahen Osten sind und größtenteils über vier Länder (Türkei, Syrien, Iran und Irak) verstreut leben. Ihnen wurde zu Zeiten des Osmanischen Reiches zwar noch gewisse Autonomierechte gewährt, nach dem Ersten Weltkrieg und dem damit einhergehenden Zerfall des Osmanischen Reiches teilten jedoch Großbritannien und Frankreich den Nahen und Mittleren Osten unter sich auf. Mit dem Vertrag von Lausanne, der die Grenzen der heutigen Türkei festsetzte, wurden kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen schließlich zunichtegemacht, erklärte Özay. Es folgten bewaffneter und politischer Kampf für Autonomierechte und gegen Unterdrückung in Syrien und dem Irak bzw. politische Anerkennung in der Türkei.
 
Im Anschluss an Özays Vortrag konzentrierte sich Awat Asadi auf die Situation der Kurden im Irak und die Region „Südkurdistan“, welche nach dem Zweiten Weltkrieg gewaltsam an den Irak angeschlossen wurde. Das Konfliktpotenzial zwischen der Zentralregierung und den Kurden im Irak beruhe neben den Unabhängigkeitsbestrebungen auf mehreren Einflussfaktoren, so Asadi. Darunter fallen u.a. die Territorialgrenzen, der Zugang zu Erdöl, der Status der Peschmerga im Land sowie die Kompetenzen der Zentralregierung. Offen bleibe, wie sich die Situation nach der Regierungsbildung im Irak entwickle.
 
Abschließend hob Gülistan Gürbey die Zwangsassimilierungspolitik von Seiten der modernen Nationalstaaten im Nahen Osten hervor. Hierbei spiele die Repression der kurdischen Bevölkerung sowie der daraus resultierende Widerstand der Kurden eine zentrale Rolle, so Gürbey. Sie betonte, dass der Kurdenkonflikt grenzüberschreitend und transnational angelegt ist. Aufgrund dieser Transnationalität sei die Kurdenproblematik einzigartig auf der Welt. Als Lösungsmodell schlug Gürbey vor, die von den Kurden eingeforderte föderale Ordnung in den jeweiligen politischen Systemen zu berücksichtigen. Hinsichtlich einer endgültigen Lösung des Kurdenkonflikts sind laut Gürbey drei Elemente von essenzieller Bedeutung: Die verfassungsrechtliche Anerkennung der kurdischen Identität, das Recht auf Erziehung und Bildung im Sinne der Vermittlung kurdischer Werte und Kultur, sowie das Zugeständnis der lokalen Selbstverwaltung von Seiten der Regierung des jeweiligen Landes.
 
Nach den Vorträgen wurde im Fish-Bowl-Format diskutiert. Die Referenten beantworteten zahlreiche Fragen der Studentinnen und Studenten z.B. zu der vom jeweiligen Zentralstaat gewährten Autonomie, einer möglichen Lösung unter Mithilfe der internationalen Staatengemeinschaft oder der EU, sowie der möglichen Rolle Deutschlands im Kurdenkonflikt. Zum Abschluss wurden die Referenten gebeten, Vorschläge oder Wünsche für eine zukünftige Lösung dieses Konflikts zu formulieren. Basak Özay appellierte, Kurden und Türken aus dem Herz sprechen zu lassen und sich nicht gegenseitig als Feinde anzusehen. Gülistan Gürbey hielt eine Unabhängigkeit im Irak für möglich, in Syrien und in der Türkei hingegen sei eine kurdische Selbstverwaltung für eine nachhaltige Friedenslösung unabdingbar. Schließlich betonte Awat Asadi die Bedeutung von Prosperität und Frieden. Ohne eine Vergeudung von Ressourcen und bei gleichzeitiger Investition in den Wiederaufbau sowie in die politischen Rechte hätte es laut Asadi schon längst eine Lösung des Konflikts gegeben.
 
Die nächste Veranstaltung der Reihe findet am 18. Juni 2018 zum Thema „Welche Zukunft hat die EU in Zeiten der Sezessionsbewegungen?“ statt.

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