




Fotos: Volker Lannert
Im Rahmen der Diskussion und Lesung „Oh Heimat – Moritz von Uslar trifft Lucas Vogelsang“ am 07. Juni 2018, die die BAPP in Kooperation mit der lit.COLOGNE und im Rahmen der Reihe ,Politik trifft Literatur‘ durchführte, sprachen Moritz von Uslar, Journalist und Autor („Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung“) und Lucas Vogelsang, ebenfalls Journalist und Autor („Heimaterde. Eine Weltreise durch Deutschland“) über das Comeback der Heimat, die Schwierigkeiten sich auf eine allgemeingültige Definition zu einigen, sowie die Rolle und Aufgabe der Literatur in diesem Zusammenspiel. Vogelsang las zudem aus seinem Buch „Heimaterde“ und zeigte so auch anhand konkreter Beispielen, wie vielfältig „Heimat“ eigentlich ist.
Einleitend wies Prof. Bodo Hombach, Präsident der Bonner Akademie, auf die Aktualität des vermeintlich verstaubten Begriffes „Heimat“ hin. Auch wenn die Heimat für viele selbstverständlich scheine und häufig mit Geborgenheit gleichgesetzt werde, so gebe es viele Heimaten, und das nicht nur in migrantischen Milieus. Der heutige Heimatbegriff sei dabei kein Überlegenheitsgefühl gegenüber dem Anderen, sondern eine solidarische Vision von einem Europa der Regionen. Da Literatur seit jeher jegliche Art von Grenzen ignoriere und demnach einen aufklärerischen Charakter innehabe, liege es u.a. auch in den Händen der beiden Autoren, den Heimatbegriff zurückzuerobern und mitzudefinieren.
Im anschließenden Gespräch stimmten die beiden Gesprächspartner den Aussagen über die Relevanz der Literatur zu: Moritz von Uslar betonte, dass Heimat zu einem „Laberbegriff“ verkomme, den jede Partei für sich zu gewinnen versuche. Lucas Vogelsang unterstützte dies mit den Worten, dass der Begriff so häufig und von vielen verschiedenen Seiten angeführt werde, dass er jegliche Aussagekraft verliere. Stattdessen solle man Heimat im Kleinen betrachten, auch indem man versuche, sie durch die Augen der vermeintlich „Anderen“ zu erklären.
Hierfür nahm Vogelsang die Zuhörer auf eine literarische Reise mit in seine eigene Heimat, den Wedding in Berlin. Das Kapitel aus seinem Buch, welches er vorlas, beschrieb die Erfahrungen verschiedener Einwohner aus dem bunt gemischten Bezirk. Wie unterschiedlich Heimaterfahrung ausfallen kann veranschaulichte der Vergleich mit dem gerade einmal zwei Kilometer entfernten, gutbürgerlichen Berlin-Mitte. Vogelsang unterstrich, dass Heimat von Stadt zu Stadt anders ausgelegt werde und man deshalb nur schwer eine universal gültige Definition finden könne.
Von Uslars schlug anknüpfend einen Bogen zu den aktuellen politischen Debatten um Parallelgesellschaften und den Fall Mesut Özil: Vogelsang erläuterte, inwiefern gerade Özil ein Spiegelbild seiner Generation sei, da er sich im Spannungsfeld zwischen seiner Verbundenheit zu seinen Wurzeln in der Türkei und Deutschland, dem Land, in dem er aufwuchs, befände. Das Konfliktpotenzial ergebe sich, weil es nicht möglich sei, mehrere Heimaten gleichzeitig zu haben. Eine Gleichsetzung von Heimat mit Wertesystemen und die daraus folgende Politisierung des Begriffs seien dennoch falsch.
Um dieser politischen Aufladung etwas entgegenzusetzen, sei es die Aufgabe eines Journalisten, sich mit den verschiedenen Menschen auseinanderzusetzen und deren Biographien zu verstehen. Bezugnehmend auf von Uslars Buch nannte Vogelsang dies die „teilnehmende Beobachtung“, ein Mittelweg aus Literatur, Journalismus und literarischer Reportage. Allerdings sei es äußerst wichtig, nicht in Verallgemeinerungen zu verfallen: Für einen Journalisten sei es unabdingbar, Gegenden zu besuchen, die allgemein als „No-Go-Areas“ bezeichnet werden. Nur vor Ort, bewaffnet mit einem Diktiergerät, könne der Journalist seiner Aufgabe nachgehen, die Verallgemeinerung wieder zu differenzieren.
Im Schlusswort bezog sich von Uslar noch einmal auf die einleitenden Worte von Prof. Hombach: Man sollte den Begriff „Heimat“ nicht den Falschen überlassen. Auch Lucas Vogelsang konstatierte noch einmal, dass Heimat für ihn keinesfalls ein problematisches Wort sei und dass „Heimaterde“ durchaus als Trojanisches Pferd verstanden werden könne, welches populistische Versuche der Aneignung untergrabe. Denn jenseits von Populismus gebe es tatsächlich eine Heimat, die es wert sei, beschrieben zu werden.