Zum Thema „Die Vermessung des Rechtspopulismus in Westeuropa“ fand am 14. September 2018 der Zwischenworkshop des Forschungsprojekts „Protektionismus und Rechtspopulismus im europäischen Vergleich“ statt. Die Projektleiter Dr. Marcel Lewandowsky und PD Dr. Simon Franzmann diskutierten gemeinsam mit Praxisexpertin Dr. Yvonne Schroth von der Forschungsgruppe Wahlen e.V. und Dr. Saskia Ruth, GIGA, bisherige Ergebnisse und akute Herausforderungen.



Zu Beginn der Forschungsprojektveranstaltung hielt die Projektpatin und Praxisexpertin, Dr. Yvonne Schroth (Mitglied des Vorstands der Forschungsgruppe Wahlen e.V.), einen Impulsvortrag, in dem sie die wesentliche demoskopische Erkenntnisse über den Rechtspopulismus in Deutschland und insbesondere die AfD darstellte. Die AfD konnte vor allem immer dann höhere Zustimmungswerte und Wahlergebnisse erzielen, wenn ihr jetziges Kernthema „Flüchtlinge“ auch von der Bevölkerung im jeweiligen Wahlkampf als zentral wahrgenommen wurden. So spielte bei den Landtagswahlen 2017 im Saarland, Schleswig-Holstein, NRW und Niedersachsen dieses Thema neben dem Hauptthema Schule & Bildung nur eine untergeordnete Rolle. Sowohl 2016 als auch 2018 war die Flüchtlingsthematik hingegen von herausgehobener Bedeutung, so dass wesentlich höhere Wahlergebnisse die Folge waren. Mit Blick auf die Wählerstruktur der AfD stellte Frau Dr. Schroth fest, dass mit steigender Bildung der AfD- bzw. Linken-Wähleranteil kontinuierlich zurückgeht. Von besonderem Interesse ist auch, dass die AfD-Wähler im Gegensatz zu den Wählern aller anderen Parteien ein besonders starkes Gefühl der sozialen Deprivation empfinden, obwohl dies im ökonomischen Vergleich nicht sichtbar wird. Noch um ein vielfaches verstärkt ist dieses Deprivationsgefühl in Ostdeutschland. Insgesamt ist die Wählerschaft der AfD sehr männlich dominiert, schaut extrem pessimistisch in die Zukunft und ist mehrheitlich mit der von Ihnen als nicht gerecht empfundenen demokratischen Struktur in Deutschland unzufrieden. Zuletzt wies Frau Dr. Schroth darauf hin, dass die Mehrzahl der AfD-Wähler in den Bereichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ihre eigene Partei maximal auf gleichem Niveau für kompetent halten wie die SPD, jeweils ca. 10%, während eine große Mehrzahl der AfD-Wähler die entsprechenden Kompetenzen eindeutig bei der Union verortet, 39 bzw. 32%. Nur in den Feldern Sozialpolitik und soziale Gerechtigkeit werden der eigenen Partei wesentlich höhere Kompetenzen als den anderen zugeschrieben.
Im Folgenden erläuterten die Projektleiter PD Dr. Simon Franzmann (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) und Dr. Marcel Lewandowsky (Helmut-Schmidt-Universität – Universität der Bundeswehr Hamburg) die Zwischenergebnisse des Forschungsprojektes. An den Anfang ihrer Erläuterungen stellten sie eine Definition von Populismus. Populismus ist aus ihrer Sicht eine Komplementärideologie, der zufolge Politik Ausdruck eines einheitlichen Volkswillens (Rousseaus volonté générale) sein sollte und die Gesellschaft von einem Antagonismus zwischen tugendhaften Volk und korrupter Elite geprägt ist. Hieraus ergibt sich ein klares Freund-Feind-Denkschema, bei dem besonders die Kräfte des freien Marktes gegen eine vermeintlich korrupte Elite in Stellung gebracht werden. Alle marktwirtschaftlichen Mechanismen, die den Populisten nicht gefallen, werden versucht als „unfairer Handel“ zu stigmatisieren. Damit propagieren Populisten in der Regel kooperationsfeindliche Interaktionsformen, die den notwendigen politischen Konsens von vorne herein verhindern sollen. Als Grundelemente des Populismus machten die Projektleiter drei Hauptkomponenten aus: Volkszentrierung, Anti-Pluralismus, Anti-Establishment-Orientierung. Mit diesem theoretischen Fokus werden aus 9 europäischen Ländern 10 Parteien anhand der Inhalte ihrer jeweiligen Parteiprogramme analysiert indem die Parteiprogramme vollständig kodiert werden um damit eine tiefschürfende Datenanalyse vornehmen zu können. Als Zwischenergebnis konnte festgehalten werden, dass bisher die sogenannte Volkszentrierung der untersuchten Parteien stets sehr ähnlich ausfällt.
In ihrem Praxiskommentar merkte Frau Dr. Saskia Ruth (German Institute of Global and Area Studies (GIGA), Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien) an, dass das verbindende Element unter den Rechtspopulisten eher der messbare Populismus sei und nicht der Begriff „Rechts“. Dies erklärt auch die starken Links-rechts Abweichung bei Themen in den jeweiligen populistischen Parteien. Sie konstatiert auch, dass Populismus stets per se etwas gegen das Etablierte habe. Populisten gehen soweit, auch die anerkannten Logiken des Marktes und der Politik in Frage zu stellen, sobald diese mit dem selbsterdachten Logiken nicht mehr übereinstimmen.