Das Ruhrgebiet ist Deutschlands größter Ballungsraum und nimmt in vielen Bereichen eine Vorbildfunktion bei der Bewältigung des Strukturwandels ein. Jüngst analysierte Ministerpräsident Armin Laschet bei einer Diskussionsveranstaltung der Bonner Akademie (BAPP) zu dem Thema „Das Ruhrgebiet: Ein Erfolgsmodell für Europa? Transformation von Industrieregionen“, dass das Ruhrgebiet bereits einen weiten Weg vollschritten habe: von einer Industrieregion hin zu einer umweltbewussten Wissens- und Chancenregion.
Um diese Entwicklung erkennbar zu machen, hat die BAPP eine Umfrage beim Umfrageinstitut YouGov in Auftrag gegeben, mit der die Transformation des Ruhrgebiets und die Wahrnehmung der Bevölkerung empirisch nachvollzogen wird. Dafür wurden im Juni 2021 insgesamt 1.011 Einwohner zur Transformation und der eigenen Wahrnehmung der Außenwirkung des Ruhrgebiets befragt. Um die Ergebnisse einordnen und ein möglichst breites Bild der Bevölkerung abbilden zu können, wurden die Befragten in Gruppen (Alter, Einkommen, Abschluss, Religionszugehörigkeit, etc.) kategorisiert.
Beseitigung von sozialen Ungleichheiten größtes Anliegen der Bewohner*innen im Ruhrgebiet
Für die Mehrheit der Befragten (63 Prozent) ist die Förderung von Stadtteilen zur Beseitigung von sozialen Ungleichheiten der wichtigste Faktor für eine gelungene Transformation des Reviers. Damit liegt die Thematik der sozialen Ungleichheit noch vor dem Wunsch nach einem Ausbau der Mobilität und der Infrastruktur (47 Prozent) sowie der Wirtschaftsförderung durch bspw. Unternehmensansiedlungen (41 Prozent). Die erzielten Ergebnisse decken sich auch mit den Erfahrungen und Analysen des aktuellen Forschungs- und Bildungsprojektes „Integrationspolitik für die Mehrheitsgesellschaft“ der Bonner Akademie, das in Zusammenarbeit mit Projekten und Initiativen vor Ort niedrigschwellige Teilhabemöglichkeiten für abgehängte Bevölkerungsschichten untersucht und unterstützt. Auch hier hat sich die gezielte Förderung von unmittelbaren Angeboten für die Bewohner*innen prekärer Stadtteile als wichtige und erfolgsversprechende Maßnahme zur Förderung von Teilhabe und Reintegration sowie der Beseitigung von Ungleichheiten erwiesen.
Ausbau von Mobilität und Infrastruktur gefordert – vor allem von der jüngeren Generation
Während es bei dem Punkt der Förderung von Stadtteilen keine nennenswerten Unterschiede im Ergebnis zwischen bspw. den verschiedenen Altersgruppen oder dem Geschlecht gab, lassen sich bei den Rubriken der Wirtschaftsförderung, der kultureller Vielfalt und dem Ausbau der Mobilität und Infrastruktur durchaus unterschiedliche Prioritäten feststellen. Besonders auffallend sind dabei die unterschiedlichen Quotierungen der männlichen und weiblichen Befragten: Während 52 Prozent der männlichen Befragten den Ausbau der Mobilität und Infrastruktur als weiteren zentralen Aspekt für die Transformation des Ruhrgebiets ansehen, ist dies für die weiblichen Befragten mit 41 Prozent weniger wichtig. Wenn die Altersstruktur miteinbezogen wird, ergibt sich sogar ein noch diverseres Bild der Befragten. 58 Prozent der 18-24-Jährigen sprachen sich für einen Ausbau der Mobilität und Infrastruktur aus, während es bei den 25-55-Jährigen im Durchschnitt nur noch 44 Prozent waren. Für die jüngeren Menschen nimmt die Möglichkeit der mobilen Vernetzung offensichtlich einen höheren Stellenwert bei der zukünftigen Entwicklung des Ruhrgebiets ein. Erst ab der Altersgruppe „55 Jahre und älter“ gewann der Punkt wieder an Bedeutung (49 Prozent). Interessant ist es auch, dass es bei den Ergebnissen unabhängig von der Altersstruktur keine Rolle gespielt hat, ob in einem Haushalt ein PKW vorhanden ist oder nicht. Beide Parteien stimmten mit 47% für den Ausbau.
Das Ruhrgebiet als Kulturregion?
Ein weiterer signifikanter Unterschied lässt sich in puncto Förderung kultureller Begegnungen festhalten. Hier zeigt sich, dass das Bildungsniveau einen hohen Einfluss auf die Wichtigkeit kultureller Aspekte hat: Je höher der schulische Bildungsabschluss ist, desto höher ist das Interesse eines Ausbaus kulturellen Begegnungen. Personen mit einer Allgemeinen Hochschulreife quotierten dafür mit 40 Prozent, während Befragte ohne Schulabschluss mit nur 18 Prozent stimmten. Bei der Frage, wie das Ruhrgebiet von außen wahrgenommen werden soll, waren die Ergebnisse weniger divers: Neben dem Wunsch, dass das Ruhrgebiet als attraktiver Standort für neue und innovative Wirtschaftsunternehmen wahrgenommen werden soll (52 Prozent), lag der Fokus der Befragten vor allem auf dem Ruhrgebiet als einen Ort kultureller Vielfalt (43 Prozent) und der Naherholung (40 Prozent).
FAZIT
Dass die Transformation des Ruhrgebiets nicht nur von einem Aspekt getragen werden kann, hat sich auch durch die Umfrage erneut bestätigt. In der Vielfalt der Angebote und Entwicklungsmöglichkeiten gründet das große Potential des Ruhrgebiets, wobei vor allem die Beseitigung von sozialen Ungleichheiten und die Förderung der Wirtschaft für die Bewohnerinnen und Bewohner wichtig sind.
Im Rahmen der Projektarbeit beschäftigt sich die Bonner Akademie seit vielen Jahren mit dem Wandel des Ruhrgebiets und den Chancen aber auch den Herausforderungen, die diesem Prozess zugrunde liegen. Weitere Informationen zu der vielfältigen Arbeit der BAPP im Ruhrgebiet finden Sie hier.