Umfrage: Pandemie und Politik

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie scheint in der öffentlichen Wahrnehmung alle weiteren Probleme zu überlagern. Doch wie schätzt die wahlberechtigte Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen die aktuelle Lage ein?

Die Bonner Akademie hat zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut forsa im bevölkerungsstärksten Bundesland nachgefragt.

von Redaktion / in Allgemein, Sonderveröffentlichungen /

Bürger verknüpfen Defizite in der Pandemie-Bekämpfung  mit dem Ministerpräsidenten

Das Ergebnis ist eindeutig: In der Tat belasten die alltäglichen Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie die Menschen in Nordrhein-Westfalen mehr als jedes andere Problem. 62 Prozent nennen das Corona-Virus als größtes NRW-Problem, weit vor ihrer ökonomischen Lage (23 Prozent) oder Kriminalität und Gewalt (5 Prozent). Unter den am häufigsten genannten Antworten fällt außerdem die Arbeit der Landesregierung (20 Prozent) sowie die Bildungs- und Schulpolitik (19 Prozent). 17 Prozent der Befragten nannten Verkehrsprobleme, Umweltprobleme werden von 16 Prozent als Belastung empfunden.

Darüber hinaus nennen 13 Prozent die mit der Pandemie verbundenen Impfprobleme, 12 Prozent den „Lockdown“ und 6 Prozent die coronabedingten Schul- und Kitaschließungen als große Herausforderung. Bei der Frage nach den größten Problemen NRWs ist die Pandemie somit nicht nur die deutliche Nr. 1, sondern sogar gleich viermal unter den zehn meistgenannten Antworten vertreten. Geht man davon aus, dass die Bewertung der ökonomischen Lage, der Arbeit der Landesregierung sowie der Bildungs- und Schulpolitik maßgeblich von Corona geprägt ist, wird die Dominanz des Themas offensichtlich.

Schwindendes Vertrauen in die Kompetenz der Parteien und der Landesregierung in NRW

Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Pandemie von der NRW-Bevölkerung als das mit Abstand größte Problem wahrgenommen wird. Bezüglich der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Land zeigten sich die Befragten auffällig pessimistisch. Hier zeigt sich, dass die Kompetenz nicht allein der aktuellen Regierungspartei in NRW, sondern zum Großteil allen Parteien abgesprochen wird. „Deutsches ‚Ur‘-Vertrauen in Weitsichtigkeit und Kompetenz staatlich administrativen Handelns zerbröselt gerade an erlebter Praxis, Widersprüchlichkeit und Ungereimtheit“, erklärt Prof. Bodo Hombach, Präsident der BAPP, das Phänomen. „Wenn dann die offizielle Polit-Parole lautet „Mehr Staat, mehr Regulierung“ ist grassierende Entfremdung nicht überraschend.“

Knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) trauen aktuell keiner Partei zu, mit den genannten Problemen in Nordrhein-Westfalen fertig zu werden. Am besten schneiden in der Einschätzung der Befragten die Christdemokraten ab (17 Prozent), dicht gefolgt von den Grünen mit 15 Prozent. Der SPD in NRW trauen hingegen nur 7 Prozent zu, mit den Problemen im Land fertig zu werden.

“Die Unzufriedenheit beim politischen Pandemie-Management wird mit einzelnen Politikern persönlich verbunden“, so Prof. Dr. Volker Kronenberg, Bonner Politologe und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bonner Akademie. Das zeigen auch die Umfragewerte des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. So ergibt die forsa-Umfrage, dass nur 25 Prozent mit der Arbeit des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten zufrieden sind. Auch die Arbeit der Landesregierung erreicht mit 28 Prozent nur einen geringfügig höheren Anteil an Zufriedenheitswerten. „Bemerkenswert an der aktuellen Umfrage ist die negative Wahrnehmung von Armin Laschet in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen“, so forsa-Geschäftsführer Prof. Manfred Güllner. „Der zwischenzeitlich erworbene Bonus als Ministerpräsident ist weggeschmolzen.“

Von der Bundestagswahl 2021 zur Landtagswahl 2022: Uneinigkeit über die zukünftige Rolle Laschets

Für Prof. Dr. Volker Kronenberg sind die Perspektiven Laschets im Kampf um das Kanzleramt jedoch noch offen: „Alle Indizien deuten darauf hin, dass sich die Stimmung in den nächsten Monaten deutlich verbessern wird, wenn beispielsweise die Impfkampagne weiter vorankommt. Dies werden die Bürger dann auch positiv mit Armin Laschet verbinden. Bis September kann noch viel passieren.“ Bereits jetzt sprächen die neu angeschlagenen versöhnlichen Töne innerhalb der Partei für einen geschlossenen Kurs im Wahlkampf: „Die Union ist nach einem schwierigen Prozess nun endlich zu einem Ergebnis gekommen. Das war ein Aufruf zur Geschlossenheit an alle in der Partei. Die Tatsache, dass Armin Laschet nun auch Friedrich Merz aktiv einbeziehen möchte, deutet darauf hin, dass man auf einem guten Weg ist.“

Sollte die Wahl Armin Laschet in das Kanzleramt führen, so stünde seine künftige Rolle auf der politischen Bühne fest. Sollte er die Wahl jedoch verlieren, herrscht unter der Bevölkerung NRWs bezüglich der unterschiedlichen Zukunftsoptionen große Uneinigkeit:

Nach Meinung von 33 Prozent aller Nordrhein-Westfalen sollte Armin Laschet Ministerpräsident in Düsseldorf bleiben, wenn er nach der Bundestagswahl im September nicht Bundeskanzler wird. Etwas mehr Befragte (38 Prozent) meinen, Laschet sollte im Falle dieses Szenarios sein Amt als Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen abgeben und stattdessen die Führung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin übernehmen. 29 Prozent haben sich noch keine Meinung über die Rolle von Laschet im Falle einer Wahlniederlage im Herbst gemacht.

Zukunft der nordrhein-westfälischen CDU

Auch bei der Frage, wie ein möglicher Neubeginn der nordrhein-westfälischen CDU ohne den jetzigen Ministerpräsidenten gestaltet werden könnte, herrscht bislang noch keine Einigkeit.

Etwas mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten in Nordrhein-Westfalen (51 Prozent) ist der Meinung, die CDU hätte mit einem neuen Ministerpräsidenten die Chance, ihre schlechten Umfragewerte zu verbessern. 36 Prozent sind der Meinung, dass auch ein Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten das verloren gegangene Vertrauen nicht zurückgewinnen kann, 13 Prozent haben diesbezüglich keine Meinung. Deutlicher ist hier das parteiinterne Ergebnis: Von den CDU-Anhängern erhoffen sich 71 Prozent neues Vertrauen für „ihre“ Partei.

Doch was müsste der Nachfolger mitbringen? Auch hier sind die Ergebnisse der Umfrage recht eindeutig: 62 Prozent der Befragten erhoffen sich einen jüngeren Politiker als möglichen Nachfolger von Armin Laschet. Dieser könne am ehesten für einen Neuanfang stehen. Nur 35 Prozent sind der Meinung, dass das Alter des potentiellen Nachfolgers keine Rolle spielt, 3 Prozent haben dazu keine Meinung.

In allen Altersgruppen spricht sich eine Mehrheit für einen jüngeren Kandidaten aus. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen befürworten sogar 82 Prozent einen jüngeren Nachfolger. Von den CDU-Anhängern meinen immerhin 63 Prozent, dass ein jüngerer Politiker für einen Neuanfang stehen könnte. “Die Bürger nicht nur in NRW erwarteten eine neue Modernität in der Politik, die naheliegend auch mit jüngeren Politikern verknüpft wird”, so Güllner. 

Fazit

In den Augen der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen ist die Corona-Pandemie weiterhin die drängendste Herausforderung. Die Umfrage hat ergeben, dass das Virus mit seinen Auswirkungen von einer deutlichen Mehrheit als das größte gegenwärtige Problem wahrgenommen wird. Die Bewertung der Pandemie-Politik wirkt sich wiederum stark auf die Zufriedenheit mit der Landesregierung und den Parteien aus.

Einmal mehr zeigt sich, dass für die Politik und ihre Akteure die größte Herausforderung der Zukunft darin besteht, das verloren gegangene Vertrauen in die Institutionen zurück zu gewinnen.

Mit Blick auf die langfristige Aussagekraft der durch die Umfrage gewonnen Erkenntnisse rät Prof. Bodo Hombach zur Weitsicht: „Kein Umfrager würde gegenwärtig die aktuelle Stimmung als Wahlprognose ausgeben. Eine politische Wasserstandsmeldung den einen zur Warnung, den anderen zur Genugtuung, nutzt schon. Genießen wir die Daten also mit Vorsicht.“